NEW WORK AUF LINDENFELDSCH

Als ich im Januar 2020 begann, für die Agentur Lindenfeld zu arbeiten, war an die Corona-Pandemie und ihre einschneidenden Auswirkungen auf das Arbeitsleben noch nicht zu denken. Als typische Vertreterin der Generation Y hatte ich mich sehr bewusst für eine Mitarbeit in dieser Agentur entschieden. Mir gefielen die grüne Gesinnung, das Eintreten für die Ideale der Gemeinwohlökonomie und nicht zuletzt das herzliche, fast freundschaftliche Miteinander.

Und obwohl seit 2 Jahren sowieso schon alles anders ist, haben wir uns als Team dem Experimentieren und dem Wandel in Bezug auf unsere Zusammenarbeit verschrieben.

Die Algarve, oder: Wie Lenas Lieblingsstrand zum Arbeitsort wird

Wie viele andere Millennials meiner Generation war ich auf der Suche nach sinnstiftender Arbeit, Vielfalt, möglichst großem Freiraum in meiner persönlichen Zeiteinteilung und der Möglichkeit, vor allem meine persönlichen Stärken ins Team einzubringen. Schnell machte ich genau diese Erfahrung im lindenfeldschen Agenturumfeld: Denn Mitsprache und ein aktives Einmischen sind hier äußerst gern gesehen, wenn nicht sogar fast Voraussetzung für ein gelingendes Miteinander.

Inspiriert von meiner Coachingausbildung, die mich erneut für meine eigenen Werte und Bedürfnisse auch im Kontext eines erfüllten Arbeitslebens sensibilisierte, unterbreitete ich meinem neuen Team folgenden Vorschlag: uns nämlich gemeinsam auf die Suche nach unseren persönlichen Stärken, Schwächen und Werten zu begeben und daraus Rollen für unsere Zusammenarbeit abzuleiten. Das war der Plan und dann kam Corona.

Wie auch viele andere Teams überrumpelte uns die neue Situation eher, als dass wir darauf vorbereitet gewesen wären. Aber glücklicherweise gestaltete sich die Umstellung auf Remote Work doch eher unkompliziert. Ab sofort waren wir darauf angewiesen, unser tägliches Teammeeting per Video abzuhalten, und auch der erste geplante Teamworkshop musste verschoben werden. Dieses Livetreffen holten wir dann endlich in den ersten warmen Tagen des Jahres im Freien nach und machten uns gemeinsam auf die Suche nach unseren Teamrollen.

Der erste Workshoptag blieb nicht ohne Folgen, denn wir nutzten ihn als Auftaktveranstaltung für viele weitere Gesprächsrunden über eine effektive und erfüllende Zusammenarbeit im Team. Ursprünglich ging es vor allem darum, für unser stetig wachsendes Team sinnvolle Strukturen und regelmäßige Abläufe zu etablieren. Letztlich stärkte die Workshopsituation aber auch unseren Teamzusammenhalt – sie förderte ein offenes Miteinander einer doch recht frisch zusammengewürfelten Gruppe, die sich aufgrund von Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln nur erschwert intensiv kennenlernen konnte. Auf der anderen Seite entstanden daraus Ideen für neue Formen, Zeiten und Räume der Zusammenarbeit. Obendrein half die intensive Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken und Schwächen sowie mit unseren Persönlichkeitsprofilen dabei, unsere ganz individuellen Bedürfnisse besser kennenzulernen und ein gegenseitiges Verständnis füreinander zu bekommen.

Teamworkshop im Sommer 2020

New Work nach Frithjof Bergmann

Was das alles mit New Work zu tun hat? Dieser Begriff ist seit einigen Jahren in aller Munde und wurde ursprünglich von dem Sozialphilosophen Frithjof Bergmann im Jahre 1970 geprägt. Kern des New-Work-Ansatzes ist ein komplett neues Verständnis von Arbeit. Charakteristisch hierfür ist die Annahme, dass Menschen erkennen, was sie wirklich wollen, und ihr Leben und ihre Arbeit danach ausrichten. Werte wie Selbstständigkeit, Freiheit und Teilhabe an der Gemeinschaft werden zentrale Bestandteile des Lebens. [1]

So stimmten wir beispielsweise basisdemokratisch ab, zu welcher Uhrzeit wir das tägliche Teammeeting abhalten sollten. Das Highnoon – unser 12-Uhr-Meeting – war geboren. Es ermöglichte den Eulen unter uns, ihrer persönlichen Gewohnheit und Vorliebe entsprechend später in den Tag zu starten und war gleichzeitig auch für die Lerchen des Teams eine gute Lösung. Ein weiterer Schritt hin zu einem erfolgreich gelebten Work-Life-Blending war uns gelungen: Denn „wo die Grenze zwischen Arbeits- und Privatleben verschwindet, können persönliche Bedürfnisse im Tagesverlauf besser berücksichtigt werden. Das schafft nicht nur Entspannung und mehr Lebensqualität, sondern steigert auch die Freude an der Arbeit.“ [2]

Die Auseinandersetzung mit den eigenen Bedürfnissen und Stärken hatte gleich mehrere Auswirkungen: Zum einen durchforsteten wir gemeinsam den gesamten Aufgabenpool der Agentur, strukturierten ihn nach Themenfeldern und verteilten neue Hauptverantwortlichkeiten passend zu den Stärken der Einzelnen. Zum anderen entschied sich Lena nach dem erfolgreichen Abschluss ihrer Ausbildung zur Mediengestalterin bewusst für eine 4-Tage-Arbeitswoche – das alles sind kleine Hinweise auf den Wandel, der sich in der heutigen Arbeitswelt und im Speziellen hier bei uns in der Agentur Lindenfeld vollzieht.

Mittlerweile, nach einigen Monaten Testzeit, haben wir das Highnoon wieder abgeschafft. Denn oft waren die Gespräche über spezifische Projektinhalte nur für das halbe Team relevant und interessant. Eine neue Lösung, um trotz der Homeoffice-Situation regelmäßig in Kontakt zu sein, war schnell gefunden: Derzeit ist es ein Mix aus einmal pro Woche echter Vorort-Büroarbeitszeit, intensivierten Meetings mit den Projektteams, einem wöchentlichen „Über-den-Tellerrand-Meeting“, bei dem wir uns auch außerhalb von Agenturthemen austauschen, und der Möglichkeit, sich während der Arbeitszeit im virtuellen Büro zu treffen. Diese besondere Form des Videocalls erlaubt es uns, trotz der Pandemie eine büroalltagsähnliche Gemeinschaft zu pflegen. Und auch dieser Prozess war ein gemeinsamer – keine Order von oben, sondern ein Mitbestimmen und Gestalten des gesamten Teams.

Und obwohl seit 2 Jahren sowieso schon alles anders ist, haben wir uns als Team dem Experimentieren und dem Wandel in Bezug auf unsere Zusammenarbeit verschrieben.

Das Highnoon ist nur ein Beispiel für dieses Prinzip des Experimentierens. Denn irgendwann, als das Ende der Pandemie erneut in die Ferne rückte, fragte Jochen in einer dieser Meeting-Runden, wer sich denn eigentlich vorstellen könne, auch nach Corona ausschließlich im Homeoffice zu arbeiten. Zu seinem großen Erstaunen gingen alle Arme nach oben. Das hatte nicht nur zur Folge, über unsere damalige Bürosituation nachzudenken, sondern auch noch viel freier über die Ausdehnung unseres Teams über die gesamte Republik. Mittlerweile ist es gar nicht mehr ungewohnt, dass Laurenz, unser Wahlberliner, aus der Hauptstadt dazugeschaltet und Jasmin, unsere neue Jahrespraktikantin, aus dem hohen Norden mit an Bord der Agentur Lindenfeld gekommen ist.

Wir haben lernen dürfen, dass eigentlich alles nur von unserer Offenheit gegenüber Neuem abhängt. Und wer weiß es schon? Vielleicht hocken wir auch irgendwann wieder alle im Büro. Remote Work hat es auf jeden Fall wieder attraktiver gemacht. Für mich als Millennial ist das Office der Zukunft ein Ort, an dem gemeinsame Werte gelebt werden, ein Wir-Gefühl entsteht und wir im Team zusammen Neues entwickeln können. Aber auch ein Raum, in dem die reale und digitale Welt nahtlos ineinander übergehen und sich alle Teammitglieder unkompliziert in Remote Work verbinden können. [3]

Nichtsdestotrotz sind wir große Fans der räumlichen Öffnung des Arbeitens. Fast das gesamte Team hat das Arbeitskonzept Workation [4] schon ausprobiert. Dieser meist gelungene Mix aus Work and Vacation verbindet den Aufenthalt an einem besonderen Ort mit der beruflichen Tätigkeit. Gerade ist Laurenz auf Osteuropa-Tour und manchmal erwischen wir ihn sogar in einem Hostel mit gutem Internetempfang. 😉 Ich habe im vergangenen Jahr 6 Wochen in Barcelona gelebt und gearbeitet, und Lena hat sich ihre Arbeitszeit mit einem Aufenthalt an der Atlantikküste Portugals versüßt.

Scheint ganz so, als wären wir, ohne es bewusst geplant zu haben, in eine Arbeitsweise hineingeschlittert, die in vielen Punkten den Ansätzen von New Work entspricht. Meine Sinnsuche und der Wunsch nach Freiräumen im beruflichen Kontext, die Teilhabe des gesamten Teams an projektspezifischen, aber auch die alltäglichen Abläufe betreffenden Entscheidungen, Lenas bewusste Entscheidung für eine 4-Tage-Woche, ein Team, das aus ganz Deutschland im digitalen Raum zusammenkommt, die räumliche und zeitliche Öffnung des Arbeitens mit der Möglichkeit zur Workation – das alles sind Indizien für eine starke Veränderung des Verständnisses von Arbeit.

Und was nun zuerst da war – mein Freiheitsdrang, Jochens Offenheit für alles Neue oder die Zwänge, die die Pandemie mit sich brachte – wer kann das jetzt noch objektiv beurteilen? Corona hat den Prozess hin zu neuen Formen des Arbeitens auf jeden Fall beschleunigt und das war und ist für uns als Team ein echter Gewinn.

Workation in Barcelona
Workation in Barcelona
Picture of Julia Okon

Julia Okon

Themen wie Gemeinwohl, nachhaltiger Lebensstil und gute Kommunikation liegen der Soziologin sehr am Herzen. Als freie Mitarbeiterin bereichert sie das Team der Nachhaltigkeitsagentur Lindenfeld durch ihre fotografische Expertise, den Blick für gute Sprache und klares Design und nicht zuletzt durch ihr fröhliches Gemüt.